Bernhard Kirner
August 14, 2021 um 7:05 am Uhr
@Tiffany Aching:
Das „Entgegenkommen“ signalisiert ausgerechnet STIKO-Mitglied Terhardt, der (neben dem Chef Mertens) in den Medien vor kurzem noch lautstark zur Zurückhaltung bei Kinderimpfungen gemahnt hatte,
https://www.rbb24.de/panorama/thema/coro...pfung.html
Wer in Überzeugungsfragen plötzlich eine nicht näher begründete Verhandlungsbereitschaft zeigt (und gerne vor Kameras tritt), spekuliert vielleicht auf eine Gegenleistung? Ganz jung ist Mertens ja nicht mehr und Leute, die seinen Rückzug bzw. seine Ablösung wünschen, gibt es ja genug (auch wenn es keiner offen ausspricht).
Wundersam flexibel zeigt sich auch eine Beamtengruppe:
Aus „Sorge um Unabhängigkeit“ sei ein „Ärzteverband für STIKO-Reform“ – so titelte am 31. Juli
https://www.tagesschau.de/inland/stiko-c...n-101.html
Es handelt sich nicht um irgendeinen Ärzteverband, sondern derjenige der Amtsärzte (ausführlich: Bundesverband der Ärztinnen und Ärzte des öffentlichen Gesundheitsdienstes).
Laut dieser verbeamteten Ärzte „brauche die Kommission hauptamtliche Strukturen, die die professionelle Arbeit der ehrenamtlich tätigen Kommissionsmitglieder unterstütze“.
Wer meint, wirtschaftlich und weisungsmäßig unabhängige Experten würden in ihrer „Unabhängigkeit“ gestärkt, wenn sie durch weisungsgebundene Beamte „eingerahmt“ werden, ist entweder naiv, betriebsblind oder treibt ein doppeltes Spiel.
Die Tagesschau hinterfragte das nicht weiter, obwohl wegen einer damals drei Tage alten Nachricht die letztgenannte Variante sich schier aufdrängte:
„Amtsärzte plädieren für Corona-Impfung von Kindern ab 12 Jahren“,
https://www.aerztezeitung.de/Politik/Amt...21645.html
Wer solche „Freunde“ hat, braucht keine Feinde!
Immerhin erwähnte die Tagesschau noch, wie STIKO-Chef Thomas Mertens – ein Virologe – auf Wolfgang Schäubles Bevormundungsversuch reagierte (der ganz wie Söder tönt, es aber nicht mehr so in die Schlagzeilen schafft).
Während der Nicht-Virologe Schäuble nämlich auf die EMA verwies und sagte, er wolle die STIKO „an ihre Verantwortung erinnern“, erklärt Mertens dem machtbewussten Polit-Greis ein paar Fakten:
Die EMA bewertet, ob ein Impfstoff grundsätzlich sicher und wirksam ist. Individuelle Impfempfehlungen kann sie aber schon wegen der unterschiedlichen Regeln und epidemiologischen Voraussetzungen in den Mitgliedsstaaten nicht aussprechen. Die STIKO gehe „wesentlich tiefer in der Auswertung der verfügbaren Daten“.
Schäuble zeigt auch ein Denken, das bei immer mehr Politikern sich einnistet: Die Impfunwilligkeit in Deutschland mache ihn nicht nur maßlos traurig. Er könne sie vor allem auch „nicht nachvollziehen, da die Menschen zu Beginn des Jahres auf eine Impfung gedrängt hätten“,
https://www.fr.de/politik/corona-impfung...89998.html
Auf die Idee, dass die „Drängler“ nicht das ganze Volk waren, sondern vielleicht ein Drittel, scheint Schäuble nicht zu kommen. Oder dass das von den zwei Dritteln, die demnächst geimpft sein werden, viele bestimmt nicht drängten, sondern umgekehrt gedrängt wurden und dann vorhandene Bedenken verdrängten.
Und dass im letzten Drittel nicht einfach Trödler und Träumer vor sich hin bummeln, sondern Menschen bewusst die Impf-Freiheit beanspruchen, die alle Politiker doch immer so feierlich wie scheinheilig hochhalten: Auch Schäuble leiert nämlich brav das Sprüchlein herunter, dass er gegen eine Impfpflicht sei („gleichzeitig plädiert er für Corona-Einschränkungen für Nicht-Geimpfte“ und setzt auf sozialen Druck: „Das sollte durchaus Thema im Freundes- und Bekanntenkreis sein, dass diejenigen, die nicht mitmachen, obwohl sie es könnten, ein schlechtes Gewissen bekommen. Ein gewisser gesellschaftlicher Druck wäre aus meiner Sicht nicht verkehrt.“).
In Zeiten der Herdenimmunität scheinen Politiker das Volk nur noch als eine von oben zu lenkende einheitliche Größe zu betrachten – eben als Herde. Und sich selber als allmächtige Hirten mit der Befugnis, die Lämmer je nachdem zu hegen oder zur Schlachtbank zu führen.