22.09.2020, 20:04
Blog Lübcke-Prozess: Das rechte Maß an Schweigen
Letzte Änderung: 22.09.20 um 18:48 Uhr
Am 20. Verhandlungstag sollte der Ex-Verteidiger von Stephan Ernst, Frank Hannig, aussagen. Der machte weitestgehend von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch - verriet allerdings, wie es dazu kam, dass er den mutmaßlichen Rechtsterroristen vertrat.
Den Kern der Beweisaufnahme im Strafprozess bilden mündliche Aussagen. Forensische Expertisen, die Inaugenscheinnahme von physischen Beweisstücken, das Verlesen von Gutachten - all das nimmt nicht ansatzweise so viel Raum ein wie das gesprochene Wort von Zeugen. Manchmal aber muss erst abgewogen werden, ob ein Zeuge überhaupt sprechen darf. Und wenn er es darf, ob er es auch wirklich sollte.
Frank Hannig ist so ein Zeuge. Im Vorfeld des 20. Verhandlungstages im Lübcke-Prozess musste dem ehemaligen Verteidiger des Hauptangeklagten Stephan Ernst von seinem Ex-Mandanten zunächst das Recht eingeräumt werden, seine anwaltliche Verschwiegenheitspflicht in einem gewissen Rahmen zu durchbrechen. Ernst und seine Verteidigung haben zugestimmt. Hannig darf über einige wenige Punkte, die das erloschene Mandatsverhältnis zu Ernst betreffen, Auskunft geben. Über die Mandatsanbahnung etwa oder über das, was Ernst ihm ursprünglich über den Tatablauf am 1. Juni 2019 berichtet hat. Die Frage, ob es aus Hannigs Sicht klug ist, darüber Auskunft zu geben, muss der Dresdner Anwalt aber mit sich selbst klären - und mit seinem Rechtsbeistand.
Aussage als Selbstanklage
Es ist eine heikle Situation, in der sich der Ex-Verteidiger am Dienstag wiederfindet. Sein ehemaliger Mandant behauptet, von ihm zu einer falschen Tatdarstellung angestiftet worden zu sein. Im Januar und Februar 2020 hatte Ernst bei einer richterlichen Vernehmung erklärt, den Anschlag auf Walter Lübcke gemeinsam mit dem Mitangeklagten Markus H. begangen zu haben. Dabei hätte Markus H. "versehentlich" den tödlichen Schuss abgefeuert. Eine Tatversion, an der Ernst und seine Verteidigung noch zu Beginn des Prozesses festhielten - bis es zum Bruch mit Hannig kam.
Inzwischen behauptet Ernst, von Hannig zu dieser Einlassung gedrängt worden zu sein. Der Anwalt habe damit Markus H. zu einer Aussage "provozieren" wollen. Bereits im Februar 2020 soll Ernst dies einem anderen ehemaligen Verteidiger berichtet haben. Ernsts aktueller Anwalt, Mustafa Kaplan, hatte zudem ausgesagt, dass Hannig ihm gegenüber dies im Juli bestätigt habe.
Hannig muss an diesem Dienstag also quasi in eigener Sache aussagen. Im Raum steht der Verdacht der Anstiftung zu einer falschen Verdächtigung. Und mit einer unbedachten Äußerung könnte Hannig sich selbst belasten.
Es verwundert daher nicht, dass Hannig sich inzwischen selbst einen Anwalt besorgt hat. Dem Wiesbadener Juristen Alfred Dierlamm gelingt an diesem Verhandlungstag ein echtes Kunststück: Er bringt den sonst so sendungsbewussten Hannig zum Schweigen. "Eine Verfolgungsgefahr liegt ohne Zweifel vor", erklärt Dierlamm. Daher werde sein Mandant von einem vollumfänglichen Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch machen.
Von JVA-Bedienstetem kontaktiert
Die Strafprozessordnung gewährt Zeugen dieses Recht. Und auch im Falle des Ex-Verteidigers wird es von keinem der Prozessbeteiligten grundsätzlich in Frage gestellt - mit einer Ausnahme. Weder der Staatsanwaltschaft noch der Nebenklage will einleuchten, wie sich Hannig selbst belasten könnte, wenn er offenlegt, wie es zur Übernahme des Mandats kam. Es ist eine kurze Verhandlung über das rechte Maß an Schweigen. Dierlamm gibt ohne größeren Widerstand nach. Hannig darf sprechen.
Und was er zu berichten hat, ist durchaus interessant. Es sei ein Bediensteter der Justizvollzugsanstalt Kassel gewesen, der ihn bezüglich der Verteidigung von Stephan Ernst im Juni 2019 kontaktiert habe. Einen Namen habe er nicht genannt, nur berichtet, dass Ernst bei ihm in der JVA sitze und "dringend" einen Verteidiger brauche. "Und zwar einen wie mich", erinnert sich Hannig. Seine Verwunderung über diese Art der Kontaktaufnahme scheint sich in Grenzen gehalten zu haben. "Ich bin unter Justizvollzugsbediensteten bekannt."
Sein Bekanntheitsgrad unter Justizvollzugsbeamten dürfte mit einem früheren Mandat zusammenhängen. 2019 vertrat er den Dresdner JVA-Beamten Daniel Z., der im September 2018 im Zusammenhang mit einem Tötungsdelikt in Chemnitz einen Haftbefehl mit persönlichen Daten eines der Tatverdächtigen veröffentlicht hatte. Die Tat in Chemnitz hatte zu tagelangen Protesten und gewalttätigen Ausschreitungen geführt, die von rechten und rechtsextremen Gruppen organisiert wurden. Zu den Teilnehmern einer dieser Demonstrationen zählten auch die beiden Angeklagten im Lübcke Prozess: Stephan Ernst und Markus H.
Hannigs Schilderung der Mandatsanbahnung erinnert an den Ausspruch, wonach jeder Mensch auf der Welt über sieben Ecken mit jedem anderen Menschen in irgendeiner Form von Beziehung steht. Bei Ernst und Hannig scheint allerdings ein kurzer Blick ums rechte Eck genügt zu haben. Für den Dresdner Anwalt jedenfalls endet seine Rolle in diesem Prozess am Dienstag endgültig. Er wird unvereidigt entlassen.
Arbeitskollegen mit Waffen versorgt
Auch den beiden anderen Zeugen an diesem Prozesstag hätte theoretisch ein Zeugnisverweigerungsricht zugestanden. Timo A. und Jens L. sind ehemalige Arbeitskollegen von Stephan Ernst. Gegen beide wurde beziehungsweise wird wegen illegalen Waffenbesitzes ermittelt, weil sie von Ernst Schusswaffen gekauft haben. Gegen Jens L. hat die Staatsanwaltschaft Kassel unlängst Anklage erhoben. Beide haben infolge der Ermittlungen ihre Anstellung verloren. Beide könnten schweigen, ziehen es aber vor zu reden.
Timo A.s Aussage fällt kurz aus. In den Jahren 2013 oder 2014 hat er einen Revolver von Ernst erworben. Er habe seinerzeit an Depressionen gelitten und mit dem Gedanken gespielt, Selbstmord zu begehen. Zwischen 500 bis 700 Euro habe er für die Waffe gezahlt. Vielmehr kann er über den langjährigen Kollegen nicht berichten. Ein privates Verhältnis außerhalb der Firma habe nicht existiert.
Timo A. spricht deutlich. Auf die meisten Nachfragen antwortet er mit einem schneidenden "Nein", das wenig Zweifel daran lässt, dass er keine detailliertere Auskunft geben wird.
Jens L. ist das glatte Gegenteil. Ein untersetzter Mann, der vor Nervosität bei jedem Wort nach Luft schnappt, als würde er jeden Moment hyperventilieren. "Ich bin wirklich nervlich...", setzt er in einem Moment an, schafft es aber nicht, den Satz zu Ende zu bringen. "Zerrüttet", ergänzt schließlich der Vorsitzende Richter Thomas Sagebiel.
Seinem Umfeld erschien Ernst nicht radikal
Zwischen 3.000 und 4.000 Euro will Jens L. über die Jahre für allerlei Waffen ausgegeben haben. Teilweise habe er sie auf Flohmärkten erworben, teilweise von Stephan Ernst gekauft. Er habe ein rein historisches Interesse daran. "Ich hatte nie was Böses vor. Ich wollte niemandem was tun", beteuert er. Warum er dann auch moderne Waffen und Munition erwarb, kann er allerdings nicht so recht erklären.
Jens L. soll im Nachgang zum Mord an Walter Lübcke noch eine wichtige Rolle gespielt haben. Stephan Ernst behauptet, dass L. Schmiere stand, während er seine Waffensammlung - darunter die Tatwaffe - auf dem Gelände des gemeinsamen Arbeitgebers vergrub. L. bestreitet das. L. bestreitet auch "rechtsgerichtet oder rechtsradikal" zu sein - trotz zahlreicher NS-Schriften und Devotionalien, die in seiner Wohnung gefunden wurden. L. bestreitet zunächst auch die Waffen, die ihm Ernst verkauft hat, abgefeuert zu haben, gesteht dann aber doch einen "Probeschuss" auf dem Firmengelände - nachdem ihn Ernsts Verteidiger daran erinnert hat, dass eine Falschaussage vor Gericht strafbar ist.
Timo A. und Jens L. sind nicht die ersten Arbeitskollegen von Stephan Ernst, die in diesem Prozess aussagen. Zur Tataufklärung konnte keiner von ihnen wirklich etwas beitragen. Ihre Aussagen stimmen jedoch in einem Punkt überein: Ernst soll am Arbeitsplatz nie durch sonderlich radikale Ansichten aufgefallen sein. Besser gesagt: Seine Aussagen erschienen in seinem Arbeitsumfeld niemandem als sonderlich radikal.
Frage nach Ende der U-Haft
Auch diese beiden Zeugen werden unvereidigt entlassen. Der Prozess wird am 1. Oktober fortgesetzt. Bis dahin wird sich das Gericht möglicherweise mit der Frage befassen müssen, ob der Mitangeklagte Markus H. weiter in Untersuchungshaft verbleibt. Nach Ansicht seines Verteidigers Björn Clemens, ist diese nicht mehr gerechtfertigt, nachdem sich am letzten Prozesstag eine der Hauptbelastungszeuginnen - H.s ehemalige Lebensgefährtin - unglaubwürdig gemacht habe.
Er sei der Überzeugung, dass "sich die Zeit unseres Mandanten in der JVA dem Ende nähert", so Clemens. Richter Sagebiel bestätigt zumindest, dass diese Frage "in Kürze auf dem Tisch" liegen werde.
https://www.hessenschau.de/panorama/lueb...e-104.html
Letzte Änderung: 22.09.20 um 18:48 Uhr
Am 20. Verhandlungstag sollte der Ex-Verteidiger von Stephan Ernst, Frank Hannig, aussagen. Der machte weitestgehend von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch - verriet allerdings, wie es dazu kam, dass er den mutmaßlichen Rechtsterroristen vertrat.
Den Kern der Beweisaufnahme im Strafprozess bilden mündliche Aussagen. Forensische Expertisen, die Inaugenscheinnahme von physischen Beweisstücken, das Verlesen von Gutachten - all das nimmt nicht ansatzweise so viel Raum ein wie das gesprochene Wort von Zeugen. Manchmal aber muss erst abgewogen werden, ob ein Zeuge überhaupt sprechen darf. Und wenn er es darf, ob er es auch wirklich sollte.
Frank Hannig ist so ein Zeuge. Im Vorfeld des 20. Verhandlungstages im Lübcke-Prozess musste dem ehemaligen Verteidiger des Hauptangeklagten Stephan Ernst von seinem Ex-Mandanten zunächst das Recht eingeräumt werden, seine anwaltliche Verschwiegenheitspflicht in einem gewissen Rahmen zu durchbrechen. Ernst und seine Verteidigung haben zugestimmt. Hannig darf über einige wenige Punkte, die das erloschene Mandatsverhältnis zu Ernst betreffen, Auskunft geben. Über die Mandatsanbahnung etwa oder über das, was Ernst ihm ursprünglich über den Tatablauf am 1. Juni 2019 berichtet hat. Die Frage, ob es aus Hannigs Sicht klug ist, darüber Auskunft zu geben, muss der Dresdner Anwalt aber mit sich selbst klären - und mit seinem Rechtsbeistand.
Aussage als Selbstanklage
Es ist eine heikle Situation, in der sich der Ex-Verteidiger am Dienstag wiederfindet. Sein ehemaliger Mandant behauptet, von ihm zu einer falschen Tatdarstellung angestiftet worden zu sein. Im Januar und Februar 2020 hatte Ernst bei einer richterlichen Vernehmung erklärt, den Anschlag auf Walter Lübcke gemeinsam mit dem Mitangeklagten Markus H. begangen zu haben. Dabei hätte Markus H. "versehentlich" den tödlichen Schuss abgefeuert. Eine Tatversion, an der Ernst und seine Verteidigung noch zu Beginn des Prozesses festhielten - bis es zum Bruch mit Hannig kam.
Inzwischen behauptet Ernst, von Hannig zu dieser Einlassung gedrängt worden zu sein. Der Anwalt habe damit Markus H. zu einer Aussage "provozieren" wollen. Bereits im Februar 2020 soll Ernst dies einem anderen ehemaligen Verteidiger berichtet haben. Ernsts aktueller Anwalt, Mustafa Kaplan, hatte zudem ausgesagt, dass Hannig ihm gegenüber dies im Juli bestätigt habe.
Hannig muss an diesem Dienstag also quasi in eigener Sache aussagen. Im Raum steht der Verdacht der Anstiftung zu einer falschen Verdächtigung. Und mit einer unbedachten Äußerung könnte Hannig sich selbst belasten.
Es verwundert daher nicht, dass Hannig sich inzwischen selbst einen Anwalt besorgt hat. Dem Wiesbadener Juristen Alfred Dierlamm gelingt an diesem Verhandlungstag ein echtes Kunststück: Er bringt den sonst so sendungsbewussten Hannig zum Schweigen. "Eine Verfolgungsgefahr liegt ohne Zweifel vor", erklärt Dierlamm. Daher werde sein Mandant von einem vollumfänglichen Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch machen.
Von JVA-Bedienstetem kontaktiert
Die Strafprozessordnung gewährt Zeugen dieses Recht. Und auch im Falle des Ex-Verteidigers wird es von keinem der Prozessbeteiligten grundsätzlich in Frage gestellt - mit einer Ausnahme. Weder der Staatsanwaltschaft noch der Nebenklage will einleuchten, wie sich Hannig selbst belasten könnte, wenn er offenlegt, wie es zur Übernahme des Mandats kam. Es ist eine kurze Verhandlung über das rechte Maß an Schweigen. Dierlamm gibt ohne größeren Widerstand nach. Hannig darf sprechen.
Und was er zu berichten hat, ist durchaus interessant. Es sei ein Bediensteter der Justizvollzugsanstalt Kassel gewesen, der ihn bezüglich der Verteidigung von Stephan Ernst im Juni 2019 kontaktiert habe. Einen Namen habe er nicht genannt, nur berichtet, dass Ernst bei ihm in der JVA sitze und "dringend" einen Verteidiger brauche. "Und zwar einen wie mich", erinnert sich Hannig. Seine Verwunderung über diese Art der Kontaktaufnahme scheint sich in Grenzen gehalten zu haben. "Ich bin unter Justizvollzugsbediensteten bekannt."
Sein Bekanntheitsgrad unter Justizvollzugsbeamten dürfte mit einem früheren Mandat zusammenhängen. 2019 vertrat er den Dresdner JVA-Beamten Daniel Z., der im September 2018 im Zusammenhang mit einem Tötungsdelikt in Chemnitz einen Haftbefehl mit persönlichen Daten eines der Tatverdächtigen veröffentlicht hatte. Die Tat in Chemnitz hatte zu tagelangen Protesten und gewalttätigen Ausschreitungen geführt, die von rechten und rechtsextremen Gruppen organisiert wurden. Zu den Teilnehmern einer dieser Demonstrationen zählten auch die beiden Angeklagten im Lübcke Prozess: Stephan Ernst und Markus H.
Hannigs Schilderung der Mandatsanbahnung erinnert an den Ausspruch, wonach jeder Mensch auf der Welt über sieben Ecken mit jedem anderen Menschen in irgendeiner Form von Beziehung steht. Bei Ernst und Hannig scheint allerdings ein kurzer Blick ums rechte Eck genügt zu haben. Für den Dresdner Anwalt jedenfalls endet seine Rolle in diesem Prozess am Dienstag endgültig. Er wird unvereidigt entlassen.
Arbeitskollegen mit Waffen versorgt
Auch den beiden anderen Zeugen an diesem Prozesstag hätte theoretisch ein Zeugnisverweigerungsricht zugestanden. Timo A. und Jens L. sind ehemalige Arbeitskollegen von Stephan Ernst. Gegen beide wurde beziehungsweise wird wegen illegalen Waffenbesitzes ermittelt, weil sie von Ernst Schusswaffen gekauft haben. Gegen Jens L. hat die Staatsanwaltschaft Kassel unlängst Anklage erhoben. Beide haben infolge der Ermittlungen ihre Anstellung verloren. Beide könnten schweigen, ziehen es aber vor zu reden.
Timo A.s Aussage fällt kurz aus. In den Jahren 2013 oder 2014 hat er einen Revolver von Ernst erworben. Er habe seinerzeit an Depressionen gelitten und mit dem Gedanken gespielt, Selbstmord zu begehen. Zwischen 500 bis 700 Euro habe er für die Waffe gezahlt. Vielmehr kann er über den langjährigen Kollegen nicht berichten. Ein privates Verhältnis außerhalb der Firma habe nicht existiert.
Timo A. spricht deutlich. Auf die meisten Nachfragen antwortet er mit einem schneidenden "Nein", das wenig Zweifel daran lässt, dass er keine detailliertere Auskunft geben wird.
Jens L. ist das glatte Gegenteil. Ein untersetzter Mann, der vor Nervosität bei jedem Wort nach Luft schnappt, als würde er jeden Moment hyperventilieren. "Ich bin wirklich nervlich...", setzt er in einem Moment an, schafft es aber nicht, den Satz zu Ende zu bringen. "Zerrüttet", ergänzt schließlich der Vorsitzende Richter Thomas Sagebiel.
Seinem Umfeld erschien Ernst nicht radikal
Zwischen 3.000 und 4.000 Euro will Jens L. über die Jahre für allerlei Waffen ausgegeben haben. Teilweise habe er sie auf Flohmärkten erworben, teilweise von Stephan Ernst gekauft. Er habe ein rein historisches Interesse daran. "Ich hatte nie was Böses vor. Ich wollte niemandem was tun", beteuert er. Warum er dann auch moderne Waffen und Munition erwarb, kann er allerdings nicht so recht erklären.
Jens L. soll im Nachgang zum Mord an Walter Lübcke noch eine wichtige Rolle gespielt haben. Stephan Ernst behauptet, dass L. Schmiere stand, während er seine Waffensammlung - darunter die Tatwaffe - auf dem Gelände des gemeinsamen Arbeitgebers vergrub. L. bestreitet das. L. bestreitet auch "rechtsgerichtet oder rechtsradikal" zu sein - trotz zahlreicher NS-Schriften und Devotionalien, die in seiner Wohnung gefunden wurden. L. bestreitet zunächst auch die Waffen, die ihm Ernst verkauft hat, abgefeuert zu haben, gesteht dann aber doch einen "Probeschuss" auf dem Firmengelände - nachdem ihn Ernsts Verteidiger daran erinnert hat, dass eine Falschaussage vor Gericht strafbar ist.
Timo A. und Jens L. sind nicht die ersten Arbeitskollegen von Stephan Ernst, die in diesem Prozess aussagen. Zur Tataufklärung konnte keiner von ihnen wirklich etwas beitragen. Ihre Aussagen stimmen jedoch in einem Punkt überein: Ernst soll am Arbeitsplatz nie durch sonderlich radikale Ansichten aufgefallen sein. Besser gesagt: Seine Aussagen erschienen in seinem Arbeitsumfeld niemandem als sonderlich radikal.
Frage nach Ende der U-Haft
Auch diese beiden Zeugen werden unvereidigt entlassen. Der Prozess wird am 1. Oktober fortgesetzt. Bis dahin wird sich das Gericht möglicherweise mit der Frage befassen müssen, ob der Mitangeklagte Markus H. weiter in Untersuchungshaft verbleibt. Nach Ansicht seines Verteidigers Björn Clemens, ist diese nicht mehr gerechtfertigt, nachdem sich am letzten Prozesstag eine der Hauptbelastungszeuginnen - H.s ehemalige Lebensgefährtin - unglaubwürdig gemacht habe.
Er sei der Überzeugung, dass "sich die Zeit unseres Mandanten in der JVA dem Ende nähert", so Clemens. Richter Sagebiel bestätigt zumindest, dass diese Frage "in Kürze auf dem Tisch" liegen werde.
https://www.hessenschau.de/panorama/lueb...e-104.html