(13.11.2019, 05:15)Alter Schwede! schrieb: danke für deine eingehende erklärung. ich habe im videocleaner eine funktion gefunden, die evtl. dazu passt, weiß es aber nicht genau, denn die beschreibung ist mir etwas abstrakt. evtl. kannst du ja etwas damit anfangen.
ich stelle für jeden wert einen screenshot ein.
...
wie ich es verstehe, werden mit weniger datenbits immer mehr farbtöne "zusammengefaßt" bis am ende ein s/w bild steht.
was auffällig ist, aber wahrscheinlich nichts zu bedeuten hat, ist, dass die seite links vom auto schneller ihre farbtöne verliert, als der wagen selbst und rechts davon. liegt aber evtl. daran, dass es links von vornherein weniger farben gibt, wegen des rauchs.
Der Sensor der Kamera liefert pro Pixel 8 Bit (intern möglicherweise sogar mehr). 1280 x 720 x 8 = 7.372.800 ... und das 30 mal pro Sekunde (30 Frames). Das sind 221.184.000 Bit/s (27.648.000 Byte/s) = 26,3671875 Megabyte pro Sekunde. Das sind dann 1,6 Gigabyte pro Minute, rund 86 Gigbabate in 36 Minuten.
Mediainfo verrät mir zu dem Stream, daß die Videoinformation darin 891 MiB sind. D.h. die Rohdatenmenge ist auf dem Weg zum Server kräftig eingedampft worden. Mediainfo verrät auch, welches Verfahren (u.a.) zum Einsatz kam. Codec ID: isom (isom/iso2/avc1/mp41). Diese Verfahren sind anders als beim Komprimieren einer ZIP-Datei "lossy"; d.h. die Daten sind nach dem De-Kodieren nicht identisch mit den Daten vor dem Komprimieren (jpg, mp3, mp4 sind bekannte Formate, auf die das zutrifft). Es werden also "Verluste" in Kauf genommen.
So ein Codec ist das Ergebnis eines verdammt trickreichen und kombinierten Angriffs von Physiologie der Wahrnehmung und Mathematik. Das, was unsere Sinnesorgane i.a. eh nicht wahrnehmen, wird weggelassen; das was übrig bleibt meist noch so umgewandelt, daß es sich mit mathematischen Methoden geschickt zusammenfassen (komprimieren) läßt...
Im Normalfall (dem von denen, die den Codec als solchen definiert haben, ausgehen) merkt der Zuschauer eines Videos nicht von den "Verlusten". Er schaut auf die Darbietung und freut sich.
Anders sieht der Fall halt aus, wenn jemand - wie ein Forensiker - die Haare in der Suppe sucht. Wenn der nicht aufpaßt wird von ihm ein technisch bedingtes Artfakt zum Beweis erklärt (und wenn der Sachverständige auf der Seite der Verteidigung nicht schnarcht und seine Worte so wählt, daß auch der Unparteiische den Pfusch des Forensikers versteht, dann war es das mit dem "Beweis" und dem Forensiker)...
Zu deinen Beispielen: Videocleaner greift hier - wie es scheint - auf alle drei Farbkanäle (die üblicherweise benutzt werden, rot, grün, blau) gleichzeitig zu und faßt Werte zu einem zusammen. Sagen wir im Falle von 7 Bit: Das jeweilige Pärchen von gerader und ungerader Zahl (dezimal betrachtet) hat nach der Umwandlung den gleichen Wert (0 und 1 >>> 0; 2 und 3 >>> 2 ... 254 und 255 >>> 254). Bei 1 Bit wird aus den Bitwerten 0 - 127 alles 0 und alles was drüber liegt in diesem Falle wohl auf 255 gesetzt.
Marlow ging es aber um "die scharfen Ecken und Kanten bei den roten Stellen über Jana's Hose" und eine Erklärung dazu.
Was ich mit meinen Beispielen zeigen wollte ist dem, was Marlow interessiert, geschuldet und ... geht etwas subtiler ... in die Tiefen der Codec-Philosophie. Dort wird nicht nur im "Farbraum" RGB sondern auch - wenn es nützt - in anderen Farbmodellen operiert. Begriffe wie Helligkeit, Farbton und Sättigung spielen dann eine Rolle. (Und zwischen den Modellen läßt sich selbstverständlich hin und her rechnen - in Grenzen verlustfrei; aber nicht unter allen Umständen.) Wenn du auf diese Weise Farbton und Sättigung von der Helligkeit (sie allein ist ein Schwarzweißbild) abtrennst und dort z.B. Werte zusammenfaßt (um besser komprimieren zu können), dann können solche farbigen Artefakte entstehen, die Marlow aufgefallen sind.
Ich habe noch mal fünf Bilder zusammengestellt, um das Phänomen zu illustrieren.
"Posterise Levels 16" bei mir sollte deinem Bild 4bit-Bild entsprechen, ist aber nur auf die Kanäle Farbton und Sättigung angewandt (falls Affinity Photo nicht lügt); d.h. der Kanal mit dem S/W-Bild (Helligkeit) ist unverändert detailreich geblieben.
Nun zum nächsten Bild! Von links nach rechts: Links das Ausgangsfarbbild. Die drei anderen Bilder zeigen nun meinen Angriff auf die für die Farbigkeit zuständigen Kanäle Farbton und Sättigung (letztlich habe ich das gleiche wie im Bild zuvor gemacht; nur diesmal habe ich das "Posterisieren" Gimp machen lassen ... und die drei Kanäle danach wieder von Affinity zusammenfügen lassen).
![[Bild: attachment.php?aid=2231]](https://geomatiko.eu/forum/attachment.php?aid=2231)
90 % (ausgezeichnete Qualität)
Die zusätzlichen drei Bilder zeigen die Auswirkung unterschiedlicher jpg-Kompressionsraten. (jwls. unter das Bild geschrieben; 90 % ist dabei wohl als Qualitätsverlust von 10 % gegenüber 100 % zu verstehen)
![[Bild: attachment.php?aid=2230]](https://geomatiko.eu/forum/attachment.php?aid=2230)
40 %
![[Bild: attachment.php?aid=2229]](https://geomatiko.eu/forum/attachment.php?aid=2229)
16 %
![[Bild: attachment.php?aid=2228]](https://geomatiko.eu/forum/attachment.php?aid=2228)
4% (vergiß es)
Evt. (die Verwirrung aber nicht unbedingt verringend) sind bei Wikipedia folgende Stichworte weiterführend:
https://de.wikipedia.org/wiki/Codec
https://de.wikipedia.org/wiki/Videokompression
https://de.wikipedia.org/wiki/H.264
https://de.wikipedia.org/wiki/Farbraum
Schließlich will ich noch das (roh übersetzte) Vorwort eines 2013 erschienenen Buchs zur Bildforensik anfügen.
(2013 ist in dieser Branche: Älter als die Braunkohle

)
Digital Image Forensics
There is More to a Picture than Meets the Eye
Es ist nun über 100 Jahre her, dass Fotos als visuelle Aufzeichnung von Ereignissen, Menschen und Orten verwendet wurden. Im Laufe der Jahre entwickelte sich aus diesem bescheidenen Anfang eine technologische Revolution in der Fototechnik - die digitale Bildgebung. Heute, da immer mehr Bilder auf einer ständig wachsenden Anzahl von Geräten und innovativen Technologien aufgenommen werden, die eine schnelle und einfache Verbreitung ermöglichen, sind digitale Bilder im modernen Leben allgegenwärtig.
Parallel zum technologischen Fortschritt haben wir das Geschehen gesellschaftlich viel visueller als je zuvor verstanden. Infolgedessen werden digitale Medien im Allgemeinen und digitale Bilder im Besonderen heute als Hauptquelle für Nachrichten, Unterhaltung und Informationen genutzt. Sie werden als Beweismittel vor Gericht, in der Krankenakte oder als Finanzdokument verwendet. Diese Abhängigkeit von den digitalen Medien hat aber auch eine ganze Reihe neuer Themen und Herausforderungen mit sich gebracht, die entweder nicht so offensichtlich waren wie bisher oder nicht existierten. Heute, mehr denn je, erkennen die Menschen, dass sie Fotos nicht einfach für bare Münze akzeptieren können. Ein Bild hat oft mehr zu bieten, als man denkt.
Die digitale Bildforensik ist ein junges und aufstrebendes Gebiet, das sich mit der Erlangung quantitativer Beweise über die Herkunft und Richtigkeit digitaler Bilder beschäftigt. In der Praxis kann die digitale Bildforensik einfach als ein Prozess definiert werden, der aus mehreren Schritten besteht. Der erste Schritt beginnt mit dem Auffinden von Bildbeweisen in einem verdächtigen Gerät und der Organisation dieser extrahierten Beweise für eine effizientere Suche. Es folgt die Analyse der Beweise für die Quellenzuordnung und Authentifizierung, und im letzten Schritt gibt ein forensischer Experte vor Gericht Zeugnis über Untersuchungsergebnisse. Das Ziel unseres Buches ist es, einen umfassenden Überblick und ein Verständnis aller Aspekte der digitalen Bildforensik zu vermitteln, indem wir die Perspektiven von Forschern, Forensikexperten, Strafverfolgungspersonal und Juristen einbeziehen. Nach bestem Wissen und Gewissen ist dies das erste Buch, das einen ganzheitlichen Blick auf die digitale Bilderforensik bietet.
Um verschiedene Aspekte der digitalen Bildforensik zu behandeln, haben wir unser Buch in drei Teile gegliedert. Teil I beginnt mit der Frage, wie digitale Bilder in einer Digitalkamera erzeugt werden. Diese Frage wird in zwei Kapiteln beantwortet, indem man sich auf die Hardware und die Verarbeitungselemente einer Digitalkamera konzentriert. Als nächstes stellen wir uns die Frage, wie Bilder gespeichert werden, indem wir verschiedene Bildformate besuchen und deren Eigenschaften untersuchen. Das letzte Kapitel in diesem Teil beschreibt Techniken zum Extrahieren und Wiederherstellen von Bildbeweisen aus Speichervolumes.
Teil II des Buches bietet eine wissenschaftlich fundierte Behandlung der neuesten Techniken, die für die forensische Analyse von Bildern vorgeschlagen werden. Dieser Teil besteht aus sechs Kapiteln, die sich auf zwei Hauptprobleme konzentrieren, nämlich die Attributierung der Bildquelle und das Problem der Überprüfung der Bildauthentizität. Das erste der drei Kapitel im Zusammenhang mit der Quellenzuordnung berücksichtigt Klassenstufenmerkmale und die folgenden beiden Kapitel untersuchen individuelle Merkmale, die Bildsensorrauschen und physikalische Defekte im Lichtweg einer Kamera oder eines Scanners beinhalten. Die folgenden Kapitel in diesem Teil gehen auf spezifische Forschungsfragen ein, die den Kern der Bildauthentizität und Integritätsprüfung bilden. Diese Kapitel stellen Merkmale natürlicher Bilder dar und beschreiben Techniken zur Erkennung von verzerrten Bildern und zur Unterscheidung von synthetisierten oder wieder aufgenommenen Bildern von realen Bildern.
In Teil III werden praktische Aspekte der Bildforensik betrachtet. Das erste Kapitel dieses Teils beschäftigt sich mit rechtlichen Fragen, indem es Fragen zur Gültigkeit digitaler Bilder in einem Gerichtssaal behandelt. Das zweite Kapitel konzentriert sich auf Gegenforensik und stellt die Perspektive eines Angreifers dar.
Die Verfügbarkeit einer leistungsstarken Software zur Bearbeitung, Analyse und Erstellung von Medien, kombiniert mit der zunehmenden Rechenleistung moderner Computer, macht die Bildbearbeitung und -generierung auch für Einsteiger einfach. Es wird nur erwartet, dass dieser Trend zu automatisierten und genaueren Verfahren führt, die diese Fähigkeiten für alle zugänglich machen. Die digitale Bildforensik zielt darauf ab, das Vertrauen in digitale Bilder zu stärken, indem sie Praktikern und Experten auf diesem Gebiet die notwendigen Werkzeuge und Techniken zur Verfügung stellt. Die Abdeckung dieses Buches soll ein besseres Verständnis der Konzepte, Herausforderungen und Möglichkeiten im Zusammenhang mit diesem Studienfach vermitteln. Es ist unsere aufrichtige Hoffnung, dass dieses Buch dazu dient, das Wissen von Studenten und Forschern auf dem Gebiet der Ingenieurwissenschaften, Forensik-Experten und Strafverfolgungsbehörden sowie von Fotoenthusiasten, die an der Erforschung, Forschung, Nutzung, Gestaltung und Entwicklung von Techniken im Zusammenhang mit der digitalen Bilderforensik interessiert sind, zu erweitern. Vielleicht inspiriert diese Publikation ihre Leser, zu den aktuellen Entdeckungen in diesem aufstrebenden Bereich beizutragen.
Husrev Taha Sencar
Nasir Memon