aus Friedensblick.de:
bekir
Januar 28, 2021 um 3:58 pm Uhr
Wie erwartet, hat Stephan Ernst für den Mord an Walter Lübcke lebenslang bekommen. Markus H. hingegen „verlässt Gericht quasi als freier Mann“:
„ein Jahr und sechs Monate wegen Verstoßes gegen das Waffengesetz. Ursprünglich war H. wegen Beihilfe zum Mord angeklagt gewesen“,
https://www.zeit.de/news/2021-01/28/mark...verurteilt
Noch am Morgen vor dem Urteil schrieb n-tv über Markus H., für den die Bundesanwaltschaft 9 Jahre und 8 Monate geforderte hatte:
Die Ex-Freundin von H. und Mutter der gemeinsamen Tochter beschreibt ihn als Rechtsextremist mit einer Affinität zu Waffen, der versuche alle in seinem Umfeld zu manipulieren.
„Ihre Aussage deckt sich mit den Erkenntnissen der Bundesanwaltschaft. H. habe Ernst zur Tat vermutlich angestachelt, er habe die Tat mit ihm gemeinsam geplant und H. habe genau gewusst, was Ernst vorhabe. Aber man habe keine Beweise gefunden, dass er in der Tatnacht auch mit am Haus der Familie Lübcke war. Nur die DNA von Stephan Ernst habe man gefunden. Was aber nicht bedeutet, dass Markus H. nicht trotzdem auch am Tatort war“,
https://www.n-tv.de/politik/Ende-eines-s...18345.html
So wie man in H. einen schon fast zwanghaften Manipulator sehen muss, zeigt Ernst sich als passendes Gegenstück, nämlich als leicht zu Manipulierender:
Ernst, der laut Gutachter Leygraf zwar zu spontanen Gewaltausbrüchen neige, hatte aber eigentlich längst ein bürgerliches Leben mit Ehefrau, Arbeitsstelle etc. begonnen und war als Mittvierziger ja auch kein allzeit hitziger Jüngling mehr.
Labilität und Manipulierbarkeit (und vermutlich auch Dämlichkeit) kann man an seinen Anwalts-Wechseln samt drei verschiedenen Aussage-Varianten erkennen sowie daran, dass er immer noch mit H. Umgang hatte, seinem alten (und inzwischen gewesenen) „Freund“, der 2009 schon einmal auf freiem Fuß geblieben war, während Ernst für eine eigentlich gemeinsame braune Straftat hatte sitzen müssen.
„Das Besondere aber sei, so Leygraf, dass Ernst selbst Freunde, Bekannte und Arbeitskollegen habe, die ausländische Wurzeln hätten. Das passe nun gar nicht zu seiner rechtsextremen Ideologie. Auch Ernst kann es nicht erklären.“
Dem Frankfurter Gericht kann man nicht vorwerfen, dass es für eine evtl. Verurteilung von Markus H. wegen Mord-Beihilfe auf harte Beweise nicht verzichten wollte. Dennoch fällt der scharfe Kontrast zum Münchner NSU-Urteil auf:
Dort hatte man Wohlleben keine Anwesenheit an den Mord-Tatorten vorgeworfen und ihn nicht mal verdächtigt, die Uwes aufgehetzt oder angestiftet zu haben – es ging lediglich um die angebliche Erfüllung einer angeblichen Bitte der Uwes um Waffen-Beschaffung (als das, wofür Markus H. nun in Frankfurt mit einer Bewährungsstrafe von nur anderthalb Jahren davonkommt).
Ob Wohlleben (sofern er überhaupt maßgeblich in die Beschaffung verstrickt war) damals schon den von der Anklage behaupteten späteren Verwendungszweck der Ceska gekannt haben konnte, brachte der überlange Prozess nicht ans Licht. Denn Anklage und Gericht konnten der Öffentlichkeit ja noch nicht einmal Genaueres zu der Frage sagen, ob die Uwes selber zum Zeitpunkt der Ceska-Beschaffung bereits Mordpläne hatten und wie konkret diese aussahen.
Zur Beantwortung dieser Frage hätte das Münchner OLG nämlich beleuchten müssen, wann, wie und warum die wegen Verhaftungsgefahr untergetauchten Uwes (Weiterfliehen nach Südafrika?) und ihre Beate (wollte sich bald der Polizei stellen?) sich von einem eher passiv reagierenden Kleinkriminellen-Trio in ein eiskalt verschworenes, aktiv mordlustiges Schwerverbrecher-Trio verwandelt haben sollen.
Diese Frage war weder unwichtig noch selbsterklärend. Und das Unterlassen ihrer Aufklärung dürfte alles andere als zufällig gewesen sein:
Das betreute Abtauchen und die (legale) Beschäftigung beim Bauunternehmer, Neonazi und V-Mann Marschner – zeitgleich zu den ersten der angeklagten NSU-Morde – wollte man (wohl aus nicht näher dargelegten Staatsinteressen) nicht so gerne beleuchten.
Ebensowenig beleuchten wollte man den „Fluchthelfer“, Wohnungsbeschaffer und langjährigen V-Mann Thomas Starke. Obwohl er als Ex-Zschäpe-Lover und Sprengstoff-Beschaffer für die (von einem Polizisten angemietete) Zschäpe-Garage die im Vergleich zu Wohlleben viel interessantere Person gewesen wäre.
Denn das Fluchtziel der Untergetauchten war nicht mehr in Thüringen, sondern in Sachsen und damit im „Revier“ des Blood-&-Honor-Funktionärs Thomas Starke. Dessen waffen-affine Leute konnten den Neuankömmlingen nicht nur Unterkunft, sondern bestimmt auch ideologische Erbauung und (vor allem ganz unauffällig) jedwede waffentechnische Ausrüstung bieten – ein „Hilferuf“ ins benachbarte Thüringen zum dortigen „Platzhirsch“ Wohlleben war daher eigentlich gar nicht nötig, zumal der ja kein „Waffenlager“ hatte.
Ein solcher „Hilferuf“ konnte auch nicht erwarten, bei Wohlleben auf eine sofortige, vorbehaltslose und unkomplizierte „Hilfsbereitschaft“ zu stoßen.
Denn als NPD-Politiker war er eine öffentliche Person und in schon im eigenen „Revier“ in ständiger Sorge darum, von den Behörden belauscht und überwacht zu werden.
„Es gibt keine DNA von H. am Mord-Tatort“ – so schlicht und einfach (aber doch erfolgreich!) wie die Verteidigung von Markus H. hätte die von Wohlleben nicht argumentieren können.
All den genannten (zusätzlichen!) Mängeln der NSU-Anklage zum Trotz – das alles spielte für den Schuldspruch durch Götzl überhaupt keine Rolle!
„Die Uwes haben nie konkrete Namen von Menschen genannt, die ihnen so verhasst sind, dass sie evtl. auf sie schießen wollten“ – eine solche Einlassung durch die Wohlleben-Anwälte hätte im Rahmen der Unschuldsvermutung eigentlich durchschlagenden Erfolg haben müssen. Es nutzte nichts – aber wo blieb hier die Wiederlegung (samt notwendigen Beweisen) durch die beweispflichtige Anklage?
Die Verteidigung von Markus H. hätte dagegen wirklich nicht damit argumentieren können, Markus H. habe nichts von Stephan Ernsts (u.U. tödlichen) Hass gegen Walter Lübcke gewusst. Denn der waffenbeschaffende Manipulator und der manipulations-anfällige Stephan Ernst hatten sich als ideologische Gesinnungsgenossen oft genug getroffen und ihren gemeinsamen Hass gegen Walter Lübcke und dessen Migrations-Freundlichkeit gepflegt, in Gesprächen wie auch in öffentlichen Veranstaltungen.
Freigeist
Januar 29, 2021 um 1:56 pm Uhr
Eigentlich ist es doch genauso wie in München. Die V-Leute, die noch unter den Lebenden sind, kriegen Bewährungsstrafen,
Das staatliche Feigenblatt in Form der Bundesanwaltschaft schreit nach Revision, damit es nicht all zu auffällig ist und in ein paar Jahren fragt eh niemand mehr nach irgendwas. Genauso war es doch mir dem Dachdecker und dem Wohnmobilausleiher beim NSU Prozess.
bekir
Januar 29, 2021 um 6:42 am Uhr
Das Urteil gegen Markus H. steht auch im starken Kontrast zum Urteil gegen einen anderen „Waffenbeschaffer“, den Vater des 17-jährigen Amok-Läufers Tim K. in Winnenden 2009:
„Im Februar 2011 hatte das Landgericht bereits ein Urteil gesprochen gegen Jörg K.: Ein Jahr und neun Monate Haft auf Bewährung, nicht nur wegen Verstoßes gegen das Waffengesetz, sondern vor allem wegen fahrlässiger Tötung in 15 und fahrlässiger Körperverletzung in 14 Fällen. Einen Prozess wie diesen hatte es in Deutschland seit 100 Jahren nicht gegeben: Auch K. hat sein Kind verloren und ist nach Auffassung des Gerichts dennoch ein Täter. ,Ohne das komplette Versagen des Vaters wäre der Sohn nicht an die Waffe und die Munition gekommen‘, begründete der Richter damals sein Urteil“,
https://www.sueddeutsche.de/panorama/neu...-1.1523545
„Das komplette Versagen des Vaters“ bestand eigentlich nur in der nicht ausreichend sicheren Aufbewahrung der Waffe im elterlichen Schlafzimmer, was zudem nach damaligem Recht nur eine Ordnungswidrigkeit war, keine Straftat. Erwerb und Besitz waren dagegen legal gewesen. Dem Vater half auch nicht seine Ahnungslosigkeit, dass der Sohn das heimliche Waffenversteck im elterlichen Kleiderschrank kannte.
Und als „Kind“, vor dem jegliche Waffen wegzuschließen sind, hatte nicht einmal Vater Staat selber den fast volljährigen Tim K. behandelt: Seine Musterung und Einberufung im Rahmen der damals noch bestehenden Wehrpflicht stand nämlich unmittelbar bevor, was ja bekanntlich den Umgang mit Schusswaffen beinhaltet.
Daher war naheliegend, dass Tims Besuche in der (staatlichen) Psychiatrie Weinsberg nur dazu gedient hatten, mit ein bisschen Psycho-Flunkern als wehruntauglich ausgemustert zu werden.
Der Vater wollte dies im Prozess geklärt haben, weil man ihm vorwarf (was dann auch so ins Urteil gelangte), er hätte aufgrund der Psychiatrie-Besuche des Sohnes dessen (angeblich echte) Amok-Neigung kennen müssen.
Aber leider, leider stand der Datenschutz einer gerichtlichen Beweisaufnahme entgegen:
Die postmortalen Persönlichkeitsrechte des verblichenen Massenmörders wögen stärker als das juristische Aufklärungsinteresse und auch als das (Sorge- bzw. Erb-)Recht der Eltern. Es gab also weder weder eine Vorladung der Psychiatrie-Experten noch Einsicht in ihre Akten!
Hätten die (staatlichen) Pycho-Experten erscheinen müssen und Tims Flunkern bestätigt, dann könnte man dem Vater keine Kenntnis von (echten) Amok-Gefahren vorwerfen – hätten sie dagegen die Amok-Gefahr als echt eingestuft, dann wäre ihr Nicht-Reagieren als staatliches Versagen entlastend für den Vater gewesen (und belastend für den Staat).
Man brauchte aber den Vater als alleinigen Sündenbock, schon aus Haftungsfragen: Nach dem Strafprozess kamen nämlich die zivilrechtlichen Schadenersatzforderungen, die den Unternehmer letztlich ruinierten, ohne dass alle Forderungen der Opfer erfüllt werden konnten.
(Als Opfer sah sich übrigens zunächst auch die Stadt Winnenden, die den Neubau der Tatort-Realschule als Amok-Folge vom Vater ersetzt haben wollte!)
Sich ganz alleine die A-Karte zuschieben lassen wollte Tims Vater dann aber auch nicht:
Mit dem Argument, die Betreuer seines Sohnes hätten erkennen müssen, welche Gefahr von diesem ausgehe, hat er 2016 einen Zivilprozess gegen die Psychiatrie Weinsberg anstrengt, damit die Psychiatrie in Weinsberg Teile des millionenschweren Schadenersatzes trägt,
https://www.stuttgarter-zeitung.de/inhal...62d49.html