08.11.2018, 10:49
Ausschuss untersucht frühe Phase des Aufenthaltes des Attentäters
Der Ausschuss untersucht die Frühphase des Deutschlandaufenthaltes des Attentäters.
© dpa
Der 1. Untersuchungssausschuss („Breitscheidplatz“) will sich in seiner nächsten Sitzung unter Vorsitz von Armin Schuster (CDU/CSU) ein weiteres Mal mit den Umständen beschäftigen, unter denen der spätere Attentäter Anis Amri die Frühphase seines Deutschlandaufenthaltes verbrachte. Dazu sind für Donnerstag, 8. November 2018, drei damals im Berliner Landesamt für Gesundheit und Soziales (Lageso) beschäftigte Zeugen geladen. Ebenfalls fortsetzen will der Ausschuss seine Ermittlungen zur Rolle des Verfassungsschutzes in der Affäre. Die öffentliche Vernehmung beginnt um 12 Uhr im Europasaal 4.900 des Paul-Löbe-Hauses.
Anlaufstelle zahlloser Migranten
Das Berliner Lageso machte im Sommer und Herbst 2015 bundesweit Schlagzeilen als völlig überlastete Anlaufstelle zahlloser Migranten. Der Tunesier Amri, der im Dezember 2016 das bislang opferreichste radikalislamische Attentat in Deutschland verüben sollte, wurde hier damals gleich dreimal als Asylbewerber vorstellig, unter jeweils unterschiedlichen Identitäten.
Am 28. Juli 2015 meldete er sich als angeblicher Ägypter mit dem Namen „Mohammed Hassan“, am 10. September 2015 erschien er wieder im Lageso und gab sich erneut als Ägypter aus, nannte sich diesmal jedoch „Ahmad Zaghloul“, am 10. Dezember 2015 schließlich mimte er einen Palästinenser namens „Ahmad Zarzour“. Jedesmal erhielt Amri eine neue „Bescheinigung über die Meldung als Asylsuchender“ (BüMA).
Mangelhafte technische Ausstattung
Dazu wird der Ausschuss die Zeugen Michael Wolter, Jaquelin Wagner und voraussichtlich Belma Delic anhören, die damals als Beschäftigte des Lageso die unterschiedlichen Meldungen Amris entgegengenommen und bearbeitet haben. Beim ersten Mal Ende Juli 2015 wurde der Tunesier nach Nordrhein-Westfalen weiterverwiesen, wo er sich am 3. August unter dem Namen „Mohammed Hassa“ in Dortmund registrieren ließ. Später wurde er in Nordrhein-Westfalen auch als „Ahmed Almasri“ aktenkundig. Als Amri im September wieder im Lageso auftauchte, lautete die Entscheidung, dass er in Berlin bleiben solle. Beim dritten Mal im Dezember schickte man ihn nach Hamburg, wo er indes nie eintraf.
Dass der Tunesier beim Jonglieren mit erfundenen Identitäten so leichtes Spiel hatte, lag auch an der mangelhaften technischen Ausstattung der Behörde. Die Mitarbeiter des Lageso konnten damals Fingerabdrücke nicht digital fixieren, sondern nur auf Papier. Damit entfiel die Möglichkeit des automatischen Abgleichs in Internet. Über diese Arbeitsbedingungen und über seither womöglich eingetretene Verbesserungen werden die Zeugen dem Ausschuss berichten können.
Zeugen können sich oft nicht erinnern
Ob sie darüber hinaus zur Person des Attentäters viel zu sagen haben, bleibt abzuwarten. In den vergangenen Wochen haben die Abgeordneten mehrere Mitarbeiter von Ämtern, Justiz und Polizei gehört, die Amri in den Anfängen seines Deutschlandaufenthaltes begegnet sind oder sonst mit ihm zu tun hatten, sich jedoch persönlich nicht an ihn erinnern konnten.
Ein Zeuge erwähnte sogar, er habe erst, als ihn Anfang 2018 eine Einladung zum Untersuchungsausschuss des nordrhein-westfälischen Landtages erreichte, erkannt, dass ihm der berüchtigte Attentäter vom Breitscheidpatz einmal dienstlich über den Weg gelaufen war. Ob die Zeugin Delic aussagen kann oder durch einen Arzttermin verhindert ist, stand im übrigen zunächst noch nicht fest.
Was wusste der Verfassungsschutz?
Eine langwierige Erkrankung hatte bisher auch einen Zeugen mit dem Tarnnamen Eric Rehndorf dem Ausschuss ferngehalten. Rehndorf ist als Referent in der Abteilung 6 des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) für die Auswertung von Erkenntnissen über das radikalislamische Milieu zuständig. Nach Informationen des Ausschusses ist er zwar nach wie vor krankgeschrieben, aber zumindest für eine begrenze Dauer aussagewillig und -fähig. In der Vernehmung Rehndorfs soll es erneut um die Frage gehen, ob der Verfassungsschutz in den Monaten vor dem Attentat auf dem Berliner Breitscheidplatz womöglich mehr über Amri wusste als andere deutsche Behörden, was im Bundesamt bisher bestritten wird.
Dazu hat der Ausschuss bereits zwei Kollegen Rehndorfs gehört, eine Sachbearbeiterin mit dem Tarnamen Lia Freimuth und den für Auswertung zuständigen Referatsgruppenleiter Gilbert Siebertz. Freimuth hatte im September berichtet, dass der Verfassungsschutz Amri schon seit Januar 2016 auf dem Radar gehabt und auch mit „nachrichtendienstlichen Mitteln“ überwacht habe. Siebertz hatte betont, seine Behörde habe dennoch zu keinem Zeitpunkt mehr über Amri gewusst als die Polizei. Siebertz wird voraussichtlich am Donnerstag erneut in nichtöffentlicher Sitzung vernommen. (wid/01.11.2018)
Zeit: Donnerstag, 8. November 2018, 12 Uhr
Ort: Berlin, Paul-Löbe-Haus, Europasaal 4.900
Interessierte Besucher können sich im Sekretariat des Untersuchungsausschusses unter Angabe des Vor- und Zunamens sowie des Geburtsdatums und Geburtsorts anmelden (E-Mail: 1.untersuchungsausschuss@bundestag.de, Fax: 030/227-30084). Zum Einlass muss ein Personaldokument mitgebracht werden.
Bild- und Tonberichterstatter können sich beim Pressereferat (Telefon: 030/227-32929 oder 32924) anmelden.
Liste der geladenen Zeugen
Der Ausschuss untersucht die Frühphase des Deutschlandaufenthaltes des Attentäters.
© dpa
Der 1. Untersuchungssausschuss („Breitscheidplatz“) will sich in seiner nächsten Sitzung unter Vorsitz von Armin Schuster (CDU/CSU) ein weiteres Mal mit den Umständen beschäftigen, unter denen der spätere Attentäter Anis Amri die Frühphase seines Deutschlandaufenthaltes verbrachte. Dazu sind für Donnerstag, 8. November 2018, drei damals im Berliner Landesamt für Gesundheit und Soziales (Lageso) beschäftigte Zeugen geladen. Ebenfalls fortsetzen will der Ausschuss seine Ermittlungen zur Rolle des Verfassungsschutzes in der Affäre. Die öffentliche Vernehmung beginnt um 12 Uhr im Europasaal 4.900 des Paul-Löbe-Hauses.
Anlaufstelle zahlloser Migranten
Das Berliner Lageso machte im Sommer und Herbst 2015 bundesweit Schlagzeilen als völlig überlastete Anlaufstelle zahlloser Migranten. Der Tunesier Amri, der im Dezember 2016 das bislang opferreichste radikalislamische Attentat in Deutschland verüben sollte, wurde hier damals gleich dreimal als Asylbewerber vorstellig, unter jeweils unterschiedlichen Identitäten.
Am 28. Juli 2015 meldete er sich als angeblicher Ägypter mit dem Namen „Mohammed Hassan“, am 10. September 2015 erschien er wieder im Lageso und gab sich erneut als Ägypter aus, nannte sich diesmal jedoch „Ahmad Zaghloul“, am 10. Dezember 2015 schließlich mimte er einen Palästinenser namens „Ahmad Zarzour“. Jedesmal erhielt Amri eine neue „Bescheinigung über die Meldung als Asylsuchender“ (BüMA).
Mangelhafte technische Ausstattung
Dazu wird der Ausschuss die Zeugen Michael Wolter, Jaquelin Wagner und voraussichtlich Belma Delic anhören, die damals als Beschäftigte des Lageso die unterschiedlichen Meldungen Amris entgegengenommen und bearbeitet haben. Beim ersten Mal Ende Juli 2015 wurde der Tunesier nach Nordrhein-Westfalen weiterverwiesen, wo er sich am 3. August unter dem Namen „Mohammed Hassa“ in Dortmund registrieren ließ. Später wurde er in Nordrhein-Westfalen auch als „Ahmed Almasri“ aktenkundig. Als Amri im September wieder im Lageso auftauchte, lautete die Entscheidung, dass er in Berlin bleiben solle. Beim dritten Mal im Dezember schickte man ihn nach Hamburg, wo er indes nie eintraf.
Dass der Tunesier beim Jonglieren mit erfundenen Identitäten so leichtes Spiel hatte, lag auch an der mangelhaften technischen Ausstattung der Behörde. Die Mitarbeiter des Lageso konnten damals Fingerabdrücke nicht digital fixieren, sondern nur auf Papier. Damit entfiel die Möglichkeit des automatischen Abgleichs in Internet. Über diese Arbeitsbedingungen und über seither womöglich eingetretene Verbesserungen werden die Zeugen dem Ausschuss berichten können.
Zeugen können sich oft nicht erinnern
Ob sie darüber hinaus zur Person des Attentäters viel zu sagen haben, bleibt abzuwarten. In den vergangenen Wochen haben die Abgeordneten mehrere Mitarbeiter von Ämtern, Justiz und Polizei gehört, die Amri in den Anfängen seines Deutschlandaufenthaltes begegnet sind oder sonst mit ihm zu tun hatten, sich jedoch persönlich nicht an ihn erinnern konnten.
Ein Zeuge erwähnte sogar, er habe erst, als ihn Anfang 2018 eine Einladung zum Untersuchungsausschuss des nordrhein-westfälischen Landtages erreichte, erkannt, dass ihm der berüchtigte Attentäter vom Breitscheidpatz einmal dienstlich über den Weg gelaufen war. Ob die Zeugin Delic aussagen kann oder durch einen Arzttermin verhindert ist, stand im übrigen zunächst noch nicht fest.
Was wusste der Verfassungsschutz?
Eine langwierige Erkrankung hatte bisher auch einen Zeugen mit dem Tarnnamen Eric Rehndorf dem Ausschuss ferngehalten. Rehndorf ist als Referent in der Abteilung 6 des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) für die Auswertung von Erkenntnissen über das radikalislamische Milieu zuständig. Nach Informationen des Ausschusses ist er zwar nach wie vor krankgeschrieben, aber zumindest für eine begrenze Dauer aussagewillig und -fähig. In der Vernehmung Rehndorfs soll es erneut um die Frage gehen, ob der Verfassungsschutz in den Monaten vor dem Attentat auf dem Berliner Breitscheidplatz womöglich mehr über Amri wusste als andere deutsche Behörden, was im Bundesamt bisher bestritten wird.
Dazu hat der Ausschuss bereits zwei Kollegen Rehndorfs gehört, eine Sachbearbeiterin mit dem Tarnamen Lia Freimuth und den für Auswertung zuständigen Referatsgruppenleiter Gilbert Siebertz. Freimuth hatte im September berichtet, dass der Verfassungsschutz Amri schon seit Januar 2016 auf dem Radar gehabt und auch mit „nachrichtendienstlichen Mitteln“ überwacht habe. Siebertz hatte betont, seine Behörde habe dennoch zu keinem Zeitpunkt mehr über Amri gewusst als die Polizei. Siebertz wird voraussichtlich am Donnerstag erneut in nichtöffentlicher Sitzung vernommen. (wid/01.11.2018)
Zeit: Donnerstag, 8. November 2018, 12 Uhr
Ort: Berlin, Paul-Löbe-Haus, Europasaal 4.900
Interessierte Besucher können sich im Sekretariat des Untersuchungsausschusses unter Angabe des Vor- und Zunamens sowie des Geburtsdatums und Geburtsorts anmelden (E-Mail: 1.untersuchungsausschuss@bundestag.de, Fax: 030/227-30084). Zum Einlass muss ein Personaldokument mitgebracht werden.
Bild- und Tonberichterstatter können sich beim Pressereferat (Telefon: 030/227-32929 oder 32924) anmelden.
Liste der geladenen Zeugen
- Belma Delic, Berliner Landesamt für Gesundheit und Soziales
- Eric Rehndorf, Bundesamt für Verfassungsschutz
- Gilbert Siebertz, Bundesamt für Verfassungsschutz
- Jaquelin Wagner, Berliner Landesamt für Gesundheit und Soziales
- Michael Wolter, Berliner Landesamt für Gesundheit und Soziales