„Mutti“ und der politische Kindsmord
Die Tötung einer Partei
Auf unerfindlichen Gründen nennen viele die Kanzlerin „Mutti“. Mir hat sich dieser Kosename angesichts ihrer, wenn auch gut kaschierten, Empathielosigkeit offen gestanden nie erschlossen. Doch bleibt man in dieser Terminologie und überträgt familiäre Metaphern auf die Politik, so kommt man wohl kaum um das bittere Fazit herum, dass Angela Merkel – politischen – Kindsmord betreibt. Und dabei sogar eine Wiederholungstäterin ist.
Im Dezember 2018 hatte sie Annegret Kramp-Karrenbauer in einer Rochade, die an die von Russlands Präsident Wladimir Putin mit Dmitri Medwedew erinnerte, mit Raffinesse im Stile eines Machiavelli auf den – scheinbaren – Parteithron gehievt. Als dann im Februar 2020 der Super-GAU für Merkels Alternativlosigkeit drohte und in Thüringen eine Regierungsbildung ohne neulinke Kräfte erfolgte, zog sie die Reißleine. Offenbar, weil sie ihr Vermächtnis gefährdet sah: Deutschland zu einem ideologisierten Land zu machen, zu einem Gesinnungs-Staat.
Um des Machterhalts willen opferte sie Kramp-Karrenbauer: Denn mir ihrer Direktive aus dem fernen Südafrika, die Wahl in Thüringen sei unverzeihlich und müsse deshalb rückgängig gemacht werden, düpierte sie die Pro-Forma-Vorsitzende AKK. Alle sahen nun, dass deren Vorsitz eher potemkinschen Charakter hatte. AKK wollte nicht länger gute Miene zum allzu offensichtlichen bösen Spiel machen und kündigte ihren Rücktritt an. Politisch gemeuchelt auf hinterhältige Art und Weise von der Frau, der sie bis zuletzt die Treue gehalten hatte.
Armin Laschet nahm sich das Schicksal seiner Vorgängerin nicht zu Herzen und tappte in die gleiche Falle: Die Kanzlerin, deren politisches Geschick in der Kaderschule der sozialistischen Jugendorganisation gestählt wurde, benutzte den offenbar gegenüber ihren Methoden etwas naiven Laschet (ein Schicksal, das er mit vielen seiner im Westen sozialisierten Politikerkollegen teilt) als Blitzableiter gegen Friedrich Merz. Kaum vier Monate später lässt sie ihn, wie einst Annegret Kramp-Karrenbauer, fallen wie eine heiße Kartoffel.
Es ist erstaunlich, dass es in den großen Medien entweder niemandem auffällt oder man es geschickt unter den Teppich kehrt: Ihr Schweigen im totalen Machtkampf zwischen Markus Söder und Armin Laschet, der ihr so brav die Stange hielt, könnte wortreicher kaum sein. Böse ausgedrückt, könnte man es auch ein Meucheln durch Mundhalten nennen. Ein klares Wort von Angela Merkel zur richtigen Zeit wäre wohl ausreichend gewesen, um Laschet den für ihn erniedrigenden Ringkampf mit Söder zu ersparen. So ist er derart angeschlagen, dass er, selbst wenn er sich mit größter Not gegen den Konkurrenten aus Bayern durchsetzen sollte, schwer beschädigt ins Rennen um das Kanzleramt müsste.
Logisch zu Ende gedacht, reichen die Brüche leider weiter: die Kanzlerin richtet nicht nur einzelne Personen aus ihrer Partei zugrunde, sondern gleich die ganze Partei. Der aktuelle Machtkampf könnte sich als vernichtend erweisen für die Union, ganz egal, wer ihn gewinnt. Die ehemalige DDR-Bürgerrechtlerin Vera Lengsfeld, die Merkel aus den 1990er Jahren persönlich kennt, geht sogar so weit zu sagen, dass dies – die CDU zugrunde zu richten – Merkels Absicht sei. Ein ungeheurer Verdacht. Doch betrachtet man Merkels Verhalten, und hält man ihr zugute, dass sie nicht dumm, sondern ausgesprochen clever ist, ist dieser Verdacht zumindest nicht von der Hand zu weisen.
Nachdem sie Deutschland ideologisiert hat – und ich sage bewusst nicht „links“, denn damit würde ich Linke vom alten Schlag völlig zu Unrecht beleidigen –, erteilt sie nun ihrer eigenen Partei den Gnadenstoß. Ebenso wie dem Grundgesetz, dessen föderalen Geist sie am Mittwoch zu Grabe tragen lässt....
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