16.10.2018, 20:29
WINDKRAFTKRITIK IM KINO
Vom Winde gefällt
In den Mittelgebirgen, vor allem im Odenwald und im Hunsrück, sollen Bäume der Windenergie weichen.„End of Landschaft – wie Deutschland das Gesicht verliert“ zeigt die Expansionspläne einer Industrie, die von Klimaschutz redet, aber Natur zerstört. Eine Rezension des Films, der derzeit die hessischen Programmkinos füllt.
Man könnte sich über Sabine Lütt trefflich amüsieren. Wird doch die Anti-Atom-Aktivistin aus dem niedersächsischen Wendland, die sich vor mehr als zehn Jahren mit dem Wunsch nach einem naturnahen Leben in die Abgeschiedenheit des Hunsrücks zurückzog, jetzt erneut von großtechnischen Expansionsplänen gestört. Einst politisch sozialisiert durch den Kampf gegen das Endlager Gorleben, sieht sie sich nun gezwungen, gegen die mehr als fünfzig riesigen Windkraftanlagen zu Felde zu ziehen, die bald die bewaldeten Höhenrücken in ihrer unmittelbaren Umgebung dominieren sollen. Geister, die sie unwissend und unbeabsichtigt selbst gerufen hat, wenden sich nun gegen sie. Wer seinen Strom nicht aus Primärquellen hoher Energiedichte beziehen möchte, hat nun einmal den zur Ernte volatiler Umweltenergieflüsse notwendigen Flächenverbrauch zu akzeptieren. Es sei denn, man wolle ganz auf Elektrizität verzichten. Aber so weit hat sich selbst Sabine Lütt noch nicht von der Moderne entfernt, wie der Computer belegt, an dem die sonst nach Selbstversorgung strebende Ethnologin umgeben von Aktenbergen ihren Kampf gegen die Windkraft organisiert.
Wuchtige, oft düstere Bilder
Schadenfreude ist Jörg Rehmann allerdings fremd. Mit behutsamer Neugier, manchmal leider die Grenze zu verständnisvoller Nähe überschreitend, porträtiert der Journalist und Dokumentarfilmer Betroffene wie Sabine Lütt in seinem neuen Werk. Menschen, die die Folgen der Energiewende monetär, physisch und psychisch zu spüren bekommen, seien sie nun Anhänger ökologistischer Ideale oder nicht.
Durch wuchtige, oft düstere Bilder sprechen zudem die von Zerstörung bedrohten Kulturlandschaften zu den Zuschauern. Da sind Wälder in dämmriges Halbdunkel getaucht, Frühnebel steht über teils noch schneebedeckten Lichtungen, Moos bedeckt die furchigen Rinden der Bäume, zwischen denen sich einsame Wanderer ihren Weg abseits befestigter Pfade durch vertrocknendes Laub bahnen. Selten fällt ein Sonnenstrahl durch die Wipfel, einmal huscht ein scheues Reh vorbei, einmal kreist ein Milan am Waldrand, gelegentlich nur erblickt die Kamera einzelne Blumen. Und immer wieder streut Rehmann harte Perspektivwechsel auf Rodungsexzesse ein, die das Idyll zugunsten einer von ihm so bezeichneten „Industrialisierung der Landschaft“ vernichten.
Ziemlich dick aufgetragen zwar, aber ein wirkungsvoller Kontrapunkt zur Bildsprache der Branche, die Windräder nur auf saftig grünen, von vergnügt spielenden Kindern bevölkerten Wiesen unter strahlend blauem Himmel zeigt. Für Jörg Rehmann bedeutet der Ausbau der Windenergie das „Ende der Landschaft“ und nicht deren Bewahrung.
100 Minuten dokumentierter Windwahn
Die Pläne der hessischen Landesregierung zum Bau von vierhundert Windkraftanlagen im Odenwald regten ihn zu Recherchen an, deren Ergebnisse nun vorliegen. Als mehr als einhundert Minuten lange Kinodokumentation, die den Zuschauer mitnimmt auf eine Reise durch deutsche Brennpunkte des Windwahns. Rehmann besucht beispielsweise die niedersächsische Nordseeküste, an der man schon heute erleben kann, was den Bewohnern der Mittelgebirge noch bevorsteht. Er zeigt die von turmhohen Rotoren terrorisierten Bürger direkt, ungefiltert und ungeschminkt. Er zeigt leerstehende, langsam dem Verfall preisgegebene Einfamilienhäuser, mittlerweile unverkäuflich, deren Besitzer längst geflohen sind, weil ihnen die Heimat genommen wurde, in der sie leben, arbeiten und Kinder großziehen wollten. Er beschreibt den verzweifelten Kampf der Menschen an der Ostsee, im Hunsrück und im Odenwald, die ähnliche Zustände auch bei sich schon ertragen oder für die nahe Zukunft befürchten müssen. Er stellt den Wünschen und Ängsten der Wähler Ausschnitte aus Reden von Politikern gegenüber und man bemerkt die große Distanz zwischen den beiden Sphären.....
weiter hier > https://www.tichyseinblick.de/kolumnen/l...-gefaellt/
End of Landschaft - Film | Trailer
Kino-Dokumentarfilm von Jörg Rehmann 105 Min.
Die Energiewende ist das größte Infrastrukturprojekt seit Ende des 2. Weltkrieges in Deutschland. Die Kostenhochrechnungen dafür gehen in die Billionen. Doch selbst 30.000 Windräder und hunderttausende Solaranlagen konnten nicht verhindern, dass damit bislang nur 3 Prozent des deutschen Primärenergiebedarfes gedeckt werden können. Die Auseinandersetzungen um zerstörte Landschaften und Windradlärm haben die bislang friedlichen Landregionen in tiefgreifende Zerwürfnisse gestürzt. Auch durch den Naturschutz zieht sich ein schwerer Konflikt. Wie sauber ist die „Handschrift der Energiewende“? Der Journalist und Filmautor Jörg Rehmann hat in „End of Landschaft“ den Menschen vor Ort zugehört, hat Experten und Wissenschaftler befragt und investigative Recherchen betrieben. Das Ergebnis ist ein sensibler Film, der dennoch fordert, aufdeckt und aufrüttelt.
Für den Autor und die im Film befragten Experten ist die Notwendigkeit eines wirksamen Klimaschutzes unbestreitbar. Mit der Ausbeutung der Erde kann und darf es so nicht weitergehen. Aber es braucht eine ehrliche Energiewende mit Augenmaß. Ein Film jenseits fernsehüblicher Berichterstattung, - und ein kritisch-informatives Roadmovie durchs Energiewendeland..
Vom Winde gefällt
In den Mittelgebirgen, vor allem im Odenwald und im Hunsrück, sollen Bäume der Windenergie weichen.„End of Landschaft – wie Deutschland das Gesicht verliert“ zeigt die Expansionspläne einer Industrie, die von Klimaschutz redet, aber Natur zerstört. Eine Rezension des Films, der derzeit die hessischen Programmkinos füllt.
Man könnte sich über Sabine Lütt trefflich amüsieren. Wird doch die Anti-Atom-Aktivistin aus dem niedersächsischen Wendland, die sich vor mehr als zehn Jahren mit dem Wunsch nach einem naturnahen Leben in die Abgeschiedenheit des Hunsrücks zurückzog, jetzt erneut von großtechnischen Expansionsplänen gestört. Einst politisch sozialisiert durch den Kampf gegen das Endlager Gorleben, sieht sie sich nun gezwungen, gegen die mehr als fünfzig riesigen Windkraftanlagen zu Felde zu ziehen, die bald die bewaldeten Höhenrücken in ihrer unmittelbaren Umgebung dominieren sollen. Geister, die sie unwissend und unbeabsichtigt selbst gerufen hat, wenden sich nun gegen sie. Wer seinen Strom nicht aus Primärquellen hoher Energiedichte beziehen möchte, hat nun einmal den zur Ernte volatiler Umweltenergieflüsse notwendigen Flächenverbrauch zu akzeptieren. Es sei denn, man wolle ganz auf Elektrizität verzichten. Aber so weit hat sich selbst Sabine Lütt noch nicht von der Moderne entfernt, wie der Computer belegt, an dem die sonst nach Selbstversorgung strebende Ethnologin umgeben von Aktenbergen ihren Kampf gegen die Windkraft organisiert.
Wuchtige, oft düstere Bilder
Schadenfreude ist Jörg Rehmann allerdings fremd. Mit behutsamer Neugier, manchmal leider die Grenze zu verständnisvoller Nähe überschreitend, porträtiert der Journalist und Dokumentarfilmer Betroffene wie Sabine Lütt in seinem neuen Werk. Menschen, die die Folgen der Energiewende monetär, physisch und psychisch zu spüren bekommen, seien sie nun Anhänger ökologistischer Ideale oder nicht.
Durch wuchtige, oft düstere Bilder sprechen zudem die von Zerstörung bedrohten Kulturlandschaften zu den Zuschauern. Da sind Wälder in dämmriges Halbdunkel getaucht, Frühnebel steht über teils noch schneebedeckten Lichtungen, Moos bedeckt die furchigen Rinden der Bäume, zwischen denen sich einsame Wanderer ihren Weg abseits befestigter Pfade durch vertrocknendes Laub bahnen. Selten fällt ein Sonnenstrahl durch die Wipfel, einmal huscht ein scheues Reh vorbei, einmal kreist ein Milan am Waldrand, gelegentlich nur erblickt die Kamera einzelne Blumen. Und immer wieder streut Rehmann harte Perspektivwechsel auf Rodungsexzesse ein, die das Idyll zugunsten einer von ihm so bezeichneten „Industrialisierung der Landschaft“ vernichten.
Ziemlich dick aufgetragen zwar, aber ein wirkungsvoller Kontrapunkt zur Bildsprache der Branche, die Windräder nur auf saftig grünen, von vergnügt spielenden Kindern bevölkerten Wiesen unter strahlend blauem Himmel zeigt. Für Jörg Rehmann bedeutet der Ausbau der Windenergie das „Ende der Landschaft“ und nicht deren Bewahrung.
100 Minuten dokumentierter Windwahn
Die Pläne der hessischen Landesregierung zum Bau von vierhundert Windkraftanlagen im Odenwald regten ihn zu Recherchen an, deren Ergebnisse nun vorliegen. Als mehr als einhundert Minuten lange Kinodokumentation, die den Zuschauer mitnimmt auf eine Reise durch deutsche Brennpunkte des Windwahns. Rehmann besucht beispielsweise die niedersächsische Nordseeküste, an der man schon heute erleben kann, was den Bewohnern der Mittelgebirge noch bevorsteht. Er zeigt die von turmhohen Rotoren terrorisierten Bürger direkt, ungefiltert und ungeschminkt. Er zeigt leerstehende, langsam dem Verfall preisgegebene Einfamilienhäuser, mittlerweile unverkäuflich, deren Besitzer längst geflohen sind, weil ihnen die Heimat genommen wurde, in der sie leben, arbeiten und Kinder großziehen wollten. Er beschreibt den verzweifelten Kampf der Menschen an der Ostsee, im Hunsrück und im Odenwald, die ähnliche Zustände auch bei sich schon ertragen oder für die nahe Zukunft befürchten müssen. Er stellt den Wünschen und Ängsten der Wähler Ausschnitte aus Reden von Politikern gegenüber und man bemerkt die große Distanz zwischen den beiden Sphären.....
weiter hier > https://www.tichyseinblick.de/kolumnen/l...-gefaellt/
End of Landschaft - Film | Trailer
Kino-Dokumentarfilm von Jörg Rehmann 105 Min.
Die Energiewende ist das größte Infrastrukturprojekt seit Ende des 2. Weltkrieges in Deutschland. Die Kostenhochrechnungen dafür gehen in die Billionen. Doch selbst 30.000 Windräder und hunderttausende Solaranlagen konnten nicht verhindern, dass damit bislang nur 3 Prozent des deutschen Primärenergiebedarfes gedeckt werden können. Die Auseinandersetzungen um zerstörte Landschaften und Windradlärm haben die bislang friedlichen Landregionen in tiefgreifende Zerwürfnisse gestürzt. Auch durch den Naturschutz zieht sich ein schwerer Konflikt. Wie sauber ist die „Handschrift der Energiewende“? Der Journalist und Filmautor Jörg Rehmann hat in „End of Landschaft“ den Menschen vor Ort zugehört, hat Experten und Wissenschaftler befragt und investigative Recherchen betrieben. Das Ergebnis ist ein sensibler Film, der dennoch fordert, aufdeckt und aufrüttelt.
Für den Autor und die im Film befragten Experten ist die Notwendigkeit eines wirksamen Klimaschutzes unbestreitbar. Mit der Ausbeutung der Erde kann und darf es so nicht weitergehen. Aber es braucht eine ehrliche Energiewende mit Augenmaß. Ein Film jenseits fernsehüblicher Berichterstattung, - und ein kritisch-informatives Roadmovie durchs Energiewendeland..